Nachhaltiges Bauen TEIL 1

Sie spielen mit dem Gedanken, Ihr privates Wohnhaus baulich zu ändern oder gar neu zu bauen? Sie nutzen das Plus an Zeit in der Coronakrise, um sich im Vorfeld über das Thema „Nachhaltiges Bauen“ zu informieren?

Hier kommen ein paar erste Tipps, Stichworte und Links zu den mannigfaltigen staatlichen Informationsseiten, Unterstützungen und Förderungen.

Was versteht sich unter dem Begriff „Nachhaltiges Bauen“? Um die ehrgeizigen Ziele diverser Klimagipfel der letzten Jahre umzusetzen, wird von der Bundesregierung der Wohnungsbau schon seit langem ins Visier genommen. Veraltete Wohnhaus-Heizsysteme und wenig gedämmte Gebäude sind für einen Löwenanteil des zu minimierenden CO2-Ausstoßes verantwortlich.

Das Instrument der Bundesregierung, den Wohngebäudebestand bis 2050 klimaneutral herzustellen, ist seit 2007 die Energieeinsparverordnung. Jeder Bauherr muss, bei Neubau und auch bei Sanierung von Wohngebäuden, einen EnEVNachweis führen, der den Energiebedarf und Verlust des Gebäudes incl. Primärenergiebedarf des jeweiligen Energieträgers (Gewinnung, Umwandlung und Transport) nachweist. Diese Maßnahmen der Energieeinsparverordnung, mit dem Focus auf den Energiebedarf und Wärmeverlust eines Gebäudes, werden vermutlich nicht reichen um den CO2- Ausstoß in der notwendigen Größenordnung zu senken. Die forschende Wissenschaft ist sich mehrheitlich einig darin: Es bedarf einer Übererfüllung dieser Ziele.

Hier setzt Nachhaltiges Bauen an. Es nimmt den ganzen Prozess des Bauens, auch das Planen und Betreiben eines Gebäudes inklusive seiner Materialien (z.B. Herstellungsaufwand u. Recyclingfähigkeit) in den Blick. Von Beginn der Planung bis nach Inbetriebnahme eines Gebäudes werden die soziokulturelle Qualität (Langlebigkeit, Behaglichkeit u. Flexibilität des Grundrisses), die ökonomische und die ökologische Qualität (Energiebedarf, Qualität der Materialien) beurteilt.

Das Bundesinnenministerium hat hierzu einen ersten Leitfaden mit dem Titel Nachhaltiges Bauen veröffentlicht, in ihm sind die oben genannten Kriterien detailliert aufgeführt, nach denen die Bundesbauten – quasi als Vorbild – nachhaltig geplant, gebaut und betrieben werden sollen.

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, branchenübergreifend als zentrale Anlaufstelle, Netzwerk und Infoplattform Nachhaltiges Bauen zu unterstützen. Die angeschlossenen DGNB Systems und DGNB Akademie vermitteln Zertifizierungen für Gebäude und haben zusammen mit der Bundesarchitektenkammer eine wichtige Initiative für Architekten und Planer initiiert: Die „Phase Nachhaltigkeit“ will Architekten dabei unterstützen, Bauherren für das Thema Nachhaltiges Bauen zu sensibilisieren.

Dass die Diskussion, wie Nachhaltiges Bauen definiert werden kann, voll im Gange ist, zeigt ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung. In ihm wird berichtet, dass die EU-Kommission eine klare Definition mit strengen Kriterien für die Baumaterialien und den Energieverbrauch von Gebäuden anstrebe. Die Einführung von EU-Kriterien hätte auch Folgen für die Finanzbranche. Kreditvergaben und Immobilienfonds würden sich zukünftig auch an entsprechenden Bewertungspunkten (z.B. Green Bonds) orientieren müssen (vergleiche „Was heißt nachhaltig“, SZ vom 23./24.5.2020, Seite 41).

Als vornehmlich im Wohnhausbau tätige Architektin möchte ich vor dem Planungsstart Ihres Wohnhauses zunächst das Augenmerk auf die Orientierungs- oder Findungsphase lenken. Schon während man sich die ersten Gedanken über die Größenordnung einer Baumaßnahme und den eigenen Bedarf macht, helfen konkrete Fragen, die Weichen grundlegend in Richtung Nachhaltiges Bauen zu stellen.

Es sind z.B. Fragen zur vorhandenen persönlichen Situation und zu den eigenen Bedürfnissen: Wie lange wollen wir in dem neuen Haus wohnen? Wann ziehen unsere Kinder aus? Was wollen wir dann aus den Räumen machen? Brauchen wir vielleicht gleich einen zweiten Eingang, der in vielerlei Hinsicht eine gewisse Flexibilität ermöglicht? Wollen wir im Alter dort wohnen? Sollten wir gleich einen Teil barrierefrei herstellen? Bauen wir allein oder schließen wir uns mit anderen Bauwilligen zusammen und bauen gemeinsam ein größeres Haus? Auch Ihr Grundstück können Sie unter nachhaltigen Gesichtspunkten beurteilen. Z.B. städtebaulich: Kann man zu Fuß, am besten auch nach Einbruch der Dunkelheit den öffentlichen Nahverkehr gut und sicher vom Haus aus erreichen? (Das würde nämlich u.a. bedeuten, dass man nicht immer und unbedingt auf den eigenen Individualverkehr angewiesen wäre.) Oder z.B. hochbaulich: Erlaubt das Grundstück eine Ausrichtung des Hauses zur Sonne? Und: Erlaubt das Grundstück mehrere Erschließungswege, bzw. Zugänge zum Haus? (Das kann z.B. eine flexible Nutzung enorm vereinfachen)

Wenn schon entschieden ist, dass ein Wohnhaus umgebaut oder ergänzt werden soll, stehen diese Fragen am Anfang: Welche Techniken (Heizung, Elektrik) stecken in dem Haus? Wie viel Strom/Energie wird verbraucht? Wie sind die Fenster, Türen und Wände beschaffen? Oder ganz konkret: Welche Räume werden schon jetzt in den Übergangsmonaten von der Sonne gewärmt? Und so weiter …

Früh in der Planungsphase ist der Blick auf den Einsatz der Materialien und Techniken relevant. Dabei helfen unterschiedliche Label, Umweltzeichen und Deklarationen. Sie geben Auskunft über die Ökobilanz oder Recyclingfähigkeit, z.B. von Hölzern und Dämmstoffen oder Materialien des Innenausbaus, wie Wand- oder Bodenbeläge. (Mehr dazu in Teil 2) Welche staatlichen Mittel sollen die Übererfüllung der EnEV-Vorgaben, also nachhaltiges Bauen, fördern?

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist das staatliche Organ, das Bauherren mitgünstigen Krediten oder direkten Geldzuwendungen unterstützt. Je energiesparsamer ein Gebäude geplant und hergestellt wird, desto mehr Unterstützung gewährt die KfW.

Dabei wird ein Gebäude in Niedrigenergiehaus über Passivhaus oder Nullenergiehaus bis hin zu Effizienzhaus Plus (also vom energiesparenden bis hin zum energieproduzierenden Wohnhaus) klassifiziert. Oder die KfW zahlt für bestimmte technische Ausrüstungen wie z.B. Erdwärmekollektoren mit Wärmepumpe zum Heizen (die z.B. von fossilen Brennstoffen komplett unabhängig machen) einen Zuschuss. Auch einzelne Bundesländer fördern Nachhaltiges Bauen direkt, wie z.B. Hamburg: Bauherrn, die ihre Dächer begrünen und dabei bestimmte Kriterien erfüllen, erhalten direkte Geldzuwendungen.

Trotz lukrativer Förderungen und Anreizen setzt die Entscheidung, nachhaltig zu bauen, Ihre eigene Motivation voraus. Lassen Sie es mich frank und frei sagen: Noch kosten die einzelnen alternativen Produkte und Techniken Planer und Bauherrn einen Mehraufwand und zusätzliches Geld. Stellt man aber, von Anfang an, nachhaltige Prinzipien in den Vordergrund, wird man mit der Gewissheit belohnt, gegenüber unserem Planeten und nachfolgenden Generationen verantwortlich gehandelt zu haben. Man hat zudem sein Gebäude qualitätsvoller und zukunftsfähiger, und damit wertsteigender gebaut bzw. umgebaut und kann es günstiger als herkömmliche Wohngebäude betreiben.

Finden Sie einen Architekten, der die Erfahrung hat, Sie beim Nachhaltigen Bauen zu begleiten. Der Sie durch die verschiedenen Phasen des Planens (vorhandene Gebäude beurteilen, Bedarfsplanung erstellen) lotst, und der alle Möglichkeiten des Beantragens (Bauantrag, incl. Förderungen und Zuschüsse) nutzt. Der mit Detailwissen Ausführungspläne herstellt und diese entsprechend Kosten- und Zeitplan mit erfahrenen Handwerksbetrieben umsetzt.

Hier ein paar wichtige Informationen zum Einstieg:

https://www.haus.de/bauen/nachhaltiges-bauen-ideen-zum-bauen-und-wohnen

Leitfaden des Bundesinnenministeriums

https://www.nachhaltigesbauen.de

Seite der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V.

https://www.dgnb.de/de/index.php

KfW Förderungen für den Neubau

https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Neubau/

KfW Förderungen für Bestandsimmobilien

https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestandsimmobilien/

Demnächst hier: Nachhaltiges Bauen Teil 2

Unter anderem: Holz als nachwachsender Baustoff, Energiegewinnung durch Erdwärme und Solar, Begrünung gegen versiegelte Flächen

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